

ALUMNI IM PORTRÄT
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A L U M N I — 2 018
Prof. Dr. Burkhard Pahl leitet die Rektoratskommission
für den Universitätsneubau am Augustusplatz. Im
Hintergrund ist das Schinkelportal im heutigen Leibniz-
forum zu sehen. (Foto: Christian Hüller)
U
niriese und Hauptgebäude mit Marx-Relief, ein sanie-
rungsbedürftiges Seminar- und Hörsaalgebäude und
ein eher unwirtlicher Innenhof, erhaltene Grabplatten aus
der gesprengten Paulinerkirche an einem Durchgang an
der Grimmaischen Straße: Als Burkhard Pahl 1996 an den
Bereich Bauwesen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fa-
kultät berufen wird, erschließt sich für den Architekten die
jahrhundertealte Tradition der Universität an den Bauten
am Augustusplatz keineswegs. Zwar prägen die Gebäude
einen der zentralen Plätze Leipzigs und mithin die Stadt-
silhouette. Dass hier, mitten in der Stadt, fast 600 Jahre
ununterbrochene Universitätsgeschichte ihren Ursprung
hat, diesen Gedanken kann die Architektur aus der DDR-
Zeit jedoch nicht vermitteln. Schnell findet der damalige
Kanzler Peter Gutjahr-Löser in Pahl einen Verbündeten
auf dem langen Weg der Neugestaltung des Campus Au-
gustusplatz. „Gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Tho-
mas Topfstedt, dem ehemaligen und insbesondere dem
jetzigen Kustos Professor Rudolf Hiller von Gaertringen
waren wir uns einig: Mit einer Neupositionierung der Bau-
ten erhält die Universität die Chance, sich ihrer Geschich-
te zu erinnern und diese auch wieder zu zeigen“, so Pahl
zu den Anfängen einer sehr engagierten Zusammenarbeit.
Mit dem Freistaat Sachsen wurden in schwierigen
Gesprächen Grundstücksfragen und Fördermittelzusagen
ausgehandelt, Baufensterdefinitionen und Wettbewerbs
ausschreibungen formuliert, Wettbewerbsergebnisse fach-
lich begleitet und bewertet. Pahl, selbst erfahrener Gutach-
ter und Fachpreisrichter bei Architekturwettbewerben und
langjähriger Sprecher der Arbeitsgruppe Wettbewerbs-
und Vergabewesen im Bund Deutscher Architekten (BDA),
wurde 2004 Leiter der neu ins Leben gerufenen Rektorats-
kommission zum Neubau Augustusplatz. Sie koordinierte
Nutzerinteressen am Augustusplatz, insbesondere für das
neu entstehende Paulinum – Aula und Universitätskir-
che St. Pauli, und brachte diese in das Baugeschehen ein.
Zur inhaltlichen Untersetzung schlug er zwei weitere mit
Fachexperten besetzte Kommissionen vor: Die Kunst- und
die Orgelkommission. Dies erwies sich in der weiteren
Entwicklung als zielführend und führte zu einer klaren
Position hinsichtlich des Umgangs mit den geretteten
Kunstwerken und zu zwei bemerkenswerten Orgelneubau-
ten. Da keiner der ursprünglichen Universitätsbauten am
Augustusplatz physisch noch vorhanden war, verbat sich
für Pahl eine Rekonstruktion. „Der Bruch der Bauhistorie,
die Sprengung der nutzbaren Universitätskirche und des
Augusteums im Jahr 1968 muss für zukünftige Generatio-
nen lesbar bleiben“, so Pahl. Die entstandenen Neubauten
versteht er als Interpretation und begrüßt daher Irritatio-
nen, die beispielweise die versetzte Rosette und die hängen-
den Glassäulen im Paulinum hervorrufen.
Das Schinkelportal, nun im Leibnizforum, hat wie-
der eine Eingangsfunktion. Wenn die Studierenden vom
Neuen Augusteum ins Hörsaalgebäude wechseln, pas-
sieren sie die Fresken, die einst im Dominikanerkloster,
dem Ursprung der Universität, ihren Platz hatten. Mit
der Integration von historischen Zeugnissen wie den
Kolossalbüsten und der Professorengalerie erinnert die
Universität ganz selbstverständlich in ihren öffentlichen
Bereichen an ihre verdienstvollsten Studierenden, Wis-
senschaftler und För-
derer. Das Paulinum
ist ein multifunktiona-
ler, lebendiger Ort mit
sichtbar historischen
Bezügen. Wichtig ist
für Pahl, dass die öf-
fenbare Glaswand im
Paulinum nicht als
Raumtrennung, son-
dern als nachhaltige
Sicherung der gerette-
ten Kunstwerke ver-
standen wird.
Mit der Eröffnung des Paulinums sind die Bau-
arbeiten am Augustusplatz abgeschlossen. Konnte die
Baukommission ihre Ziele umsetzen? „Wir haben im Zu-
sammenwirken mit dem Dezernenten für Planung und
Technik, Titus Werner, und insbesondere im Dialog mit
dem Freistaat mehr erreicht, als 1998 zu erwarten gewe-
sen wäre“, meint der Professor. Dass der Campus nun wie-
der lebt und die Studierenden das Leibnizforum und das
Neue Augusteum nebst Sitzelementen („Davon brauchen
wir mehr!“) intensiv nutzen, freut den 62-Jährigen beson-
ders: „Den Campus konnten wir als geistige und kulturel-
le Mitte zurückgewinnen.“
Friederike Rohland
„Der Bruch
der Bauhistorie
muss für zukünftige
Generationen
lesbar bleiben.“
The architect Professor Burkhard Pahl is head of the Rectorate Commission for
the university reconstruction on Augustusplatz. “The break with the architectural
history, the destruction of the university church, which was still intact, and the
Augusteum in 1968 must be perceivable for future generations”, said Pahl.
The redesigned campus was therefore planned as a multi-functional, vibrant
location with visible historical links.
Den Campus
als Mitte
zurückgewonnen
Prof. Dr. Burkhard Pahl