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Eine Mikroglia (in 600-facher Vergrößerung), die am konfokalen Mikroskop dreidimensional rekonstruiert wurde.

Auf Bild A ist die typische Fragmentierung/Zerbröckelung der Fortsätze zu sehen. In Blau gefärbt stellen sich die Zellkerne dar,

mit Rot ist ein zytoplasmatischer Antikörper markiert, in Grün ist ein anderes Antigen dargestellt, das in der Mikroglia vorkommt.

Bild B zeigt die Mikroglia, wie man sie in einem alten, nicht an Alzheimer erkrankten Gehirn finden kann. (Fotos: Jasmin Tischer)

MENSCH UND GEHIRN

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L U M A G F O R S C H U N G – 01/ 2 015

diesem Zusammenhang hat die Leipziger Entdeckung,

dass bei Alzheimer molekulare Ähnlichkeiten zum Win-

terschlaf bestehen – also einem Zustand, der umkehrbar

und nicht krankhaft ist – besondere Aufmerksamkeit in

der Fachwelt hervorgerufen.

Vermutlich ist der Mensch

aufgrund der hohen Entwick-

lungsstufe seines Gehirns so

anfällig. Jedenfalls ist Alzhei-

mer eine menschenspezifische

Krankheit, weshalb auch stam-

mesgeschichtliche und entwick-

lungsbiologische Aspekte in die

Forschungszweige

einbezogen

werden. Trotz aller vielverspre-

chenden Ansätze dämpft der

Hirnspezialist allzu hohe Erwar-

tungen: „Wir sind zwar auf einem

sehr Erfolg versprechenden Weg,

dennoch wird die Entwicklung einer effektiven Therapie

noch viele Jahre in Anspruch nehmen.“

Grundlagenforschung braucht nicht nur einen

langen Atem, sondern auch Perspektivwechsel. Andere

Fachdisziplinen, wie die Bioinformatik, steuern wichtige

Werkzeuge und Erkenntnisse bei. „Wir bewegen uns hier

auf einem Feld, das für die Zell- und Molekularbiologie

noch einige Überraschungen bereithält“, ist sich Arendt

sicher. Die Zusammenarbeit mit anderen Forschergrup-

pen in Leipzig ist vielfältig, beispielsweise mit dem Insti-

tut für Anatomie der Medizinischen Fakultät.

Sein Leiter, Prof. Dr. Ingo Bechmann, richtet sein be-

sonderes Interesse auf das dem Gehirn eigene Reinigungs-

system. Obwohl das Hirngewebe sehr dicht ist, wird ständig

Flüssigkeit ausgetauscht, um Abfallstoffe, die regulär beim

Stoffwechsel entstehen, abzutransportieren und anschlie-

ßend etwa über die Nasenschleimhaut auszuscheiden. Im

Gegensatz zu anderen Organen besitzt das Nervengewebe

im Gehirn keine eigenen Lymphgefäße. Deshalb muss das

Abwasser aktiv herausgepumpt werden. Als Abwasser-

schleusen dienen die sogenannten perivaskulären oder Vir-

chow-Robin-Räume. Das sind schmale Räume zwischen

einem Blutgefäß und dem eigentlichen Hirngewebe. Pro­

bleme entstehen, wenn sich Gefäßwände krankhaft verän-

dern, umgangssprachlich verkalken, und so auch der Rei-

nigungsmechanismus im Gehirn beeinträchtigt wird – eine

mögliche Erklärung für die schädlichen Ablagerungen,

auch Plaques genannt. Verschärfend kommt hinzu, dass

auch das dichte Netzwerk von Fresszellen, die Mikroglia,

im Alter Schaden nehmen kann und somit ein weiterer

wichtiger Reinigungsmechanismus gestört wird. „Sehr vie-

le Alzheimerfälle fallen dadurch auf, dass sie krankhafte

Gefäßveränderungen aufweisen und gleichzeitig die Mi­

kroglia geschädigt ist“, erläutert Bechmann.

Sein Team erforscht, wie Mikroglia geschädigt und

geschützt, gegebenenfalls sogar ausgetauscht werden

kann. Durch moderne Mikroskopietechnik an eingefärb-

ten Gewebeschnitten lassen sich mittlerweile die verschie-

densten Vorgänge auf Zellebene sichtbar machen. Dabei

entstehen faszinierende Bilder, die wie moderne Kunst

anmuten und die von Arendt ins Spiel gebrachte Demut

vor der Natur heraufbeschwören.

Diana Smikalla

Mehr Informationen unter:

www.uni-leipzig.de/~pfi

Grundlagenforschung

braucht nicht nur

einen langen Atem,

sondern auch

Perspektivwechsel.

A

B

Hirnforscher Thomas Arendt (r.)

und Biologe Carsten Jäger vergleichen

Alzheimer-Hirnpräparate. (Foto: Waltraud Grubitzsch)