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BAUTEN

20

A L U M N I — 2 018

Das Leipziger Institut für Meteorologie (LIM) in der

Stephanstraße fällt mit seinem zweigeschossigen Turm

gleich ins Auge. Was viele nicht wissen: Das markante

Haus wurde ursprünglich als eines von mehreren Neben-

gebäuden der damaligen Universitätssternwarte errichtet.

Von 1790 bis 1861 befand sich die Sternwarte der

Universität auf dem Turm der Pleißenburg, erwies sich je-

doch zunehmend als untauglich. Es fehlte eine Wohnung

für den Direktor der Sternwarte und die dichte Bebauung

behinderte die Himmelsbeobachtung durch Stadtbe-

leuchtung, Erschütterungen und Luftverschmutzung. Ein

Neubau musste her.

Das Baugrundstück lag im Johannistal und hatte

zuvor das Munitionslager der Stadt beherbergt. Man ent-

schied sich für diesen stadtnahen Standort, weil die Stern-

warte auch dem Lehrbetrieb dienen sollte und man den

Studenten keinen längeren Weg zumuten wollte. Stern-

wartendirektor Karl Christian Bruhns (1830–1881) ori-

entierte sich in seinem Bauprogramm an den astronomi-

schen Warten in Berlin, Bonn und Gotha und konzipierte

so die zu diesem Zeitpunkt modernste deutsche Sternwar-

te. Architekt des ebenerdigen und erschütterungsresisten-

ten Bauwerks war Albert Geutebrück (siehe Seite 30).

Nach knapp einem Jahr Bauzeit wurde die neue

Universitätssternwarte am 8. November 1861 eröffnet.

Die Stephanstraße gab es damals noch nicht, so dass sich

das Ensemble inmitten der Kleingartenanlage im Johan-

nistal befand. Ihr 7,5 Meter hoher, drehbarer Turm war

von einem achteckigen Korridor mit begehbarem Dach

umgeben. Daneben stand das zweigeschossige Direkto-

renhaus im klassizistischen Stil. Der große Meridiansaal

zur Himmelsbeobachtung lag im dazwischenliegenden

Verbindungsbau und beherbergte bei der Eröffnung ein

zwölffüßiges Fernrohr mit 3,9 Meter Brennweite und 215

Millimeter Öffnung. Dass die Anlage durchaus auch zur

Repräsentation bestimmt war, bewies nicht zuletzt der

gut gepflegte Garten.

Von den 1860er bis 1890er Jahren wurde der Stern-

wartenkomplex immer wieder erweitert und modernisiert.

Mehrere Nebengebäude kamen hinzu. Die drehbaren

Turmteile aus Holz wurden durch Stahlkonstruktionen

ersetzt und die trommelförmigen Aufbauten wichen halb-

kugelförmigen Kuppeln mit aufschiebbaren Öffnungen.

Inzwischen war auch die Stephanstraße angelegt wor-

den und die Stadt mit ihren Bauten unmittelbar an das

Grundstück der Sternwarte herangerückt.

1880/81 wurde ein weiteres Nebengebäude errichtet,

wegen seines 20 Meter hohen Turms auch als „Turmhaus“

bezeichnet. Es war als Meteorologische Warte konzipiert,

wurde aber lange Zeit nicht als solche genutzt. Als einzi-

ges blieb es von der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ver-

schont. Alle anderen Bauten fielen dem Bombenangriff am

4. Dezember 1943 zum Opfer – auch die Sternwarte wurde

zerstört und nie wieder aufgebaut. Nach dem Krieg bezog

der Fachbereich Geophysik das Turmhaus. Seit 1993 be-

herbergt dieser Teil der ehemaligen Sternwarte nun das

Leipziger Institut für Meteorologie und erfüllt somit heute

seinen ursprünglich vorgesehenen Zweck. Es ist geplant,

das Gebäude in den kommenden drei Jahren vollständig

zu sanieren und durch einen Neubau zu erweitern.

Nina Vogt, mit Auszügen aus:

Fibich, Peter. Sternwarte der Universität Leipzig,

Stephanstraße 3. Bauhistorische Recherche

im Auftrag des SIB Leipzig II. Freiraumkonzepte GbR:

Bad Lausick, 2015. (unveröffentlicht)

Der forschende

Blick zum

Himmel

Auf dem Gelände der

ehemaligen Universitätssternwarte

forschen heute Meteorologen

The Leipzig Institute for Meteorology (LIM) in Stephanstraße immediately

attracts attention thanks to its two-storey tower. What many people don‘t know,

however, is that the distinctive building was constructed in the 19th century

as one of many annexes to the former university observatory,

which was destroyed in World War Two.

Die Universitätssternwarte

zu Beginn des 20. Jahr-

hunderts: Auf der linken

Seite ist im Hintergrund

das „Turmhaus“, heute Sitz

des Leipziger Instituts für

Meteorologie, zu erken-

nen. (Foto: Universitäts­

archiv Leipzig)