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VI ELFALT

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Fotos links:

Mit Blindenführhund Sunny kann sich Sebastian selbstständig

über den Campus am Augustusplatz bewegen.

Die Leitliniensysteme ermöglichen es blinden und hochgradig

sehbeeinträchtigten Menschen, sich mittels eines Langstocks

zum Beispiel im Hörsaalgebäude zu orientieren.

Durch die Ausstattung der Türschilder mit Braillezahlen

finden blinde Menschen den richtigen Raum.

Die Buchstaben der Blindenschrift bestehen aus maximal sechs Punkten,

die in jeweiliger Kombination ein entsprechendes Zeichen bilden.

(Fotos: Swen Reichhold)

geht. Am liebsten möchte Sebastian zum Fernsehen, da

ihn die Audiodeskription (Bildbeschreibung) von Filmen

im Fernsehen begeistert.

An der Universität Leipzig studieren mehrere hundert

Menschen mit einer Behinderung oder chronischer Er-

krankung, drei davon sind blind. Die genaue Zahl ist

schwierig zu nennen, da sich nicht jeder melden muss, wenn

er oder sie auch ohne Hilfe zurechtkommt. Unterstützung

bekommen Betroffene an vielen Stellen, eine davon ist das

Studentenwerk. Dort absolvierte Maria Leypold kürzlich

ihr Freiwilliges Soziales Jahr. Sie hilft den Studierenden

zum Beispiel beim Ausfüllen von Formularen, bei der

Prüfungsanmeldung auf der Onlineplattform „Moodle“

oder beim Digitalisieren von Literatur. Aus eigener Er-

fahrung weiß sie genau, welche Stolpersteine blinden und

mobilitätsbeeinträchtigten Studierenden auf dem Campus

begegnen. „Die Blindenleitsysteme oder die Aufmerksam-

keitsfelder sind sicherlich noch ausbaufähig, zum Beispiel

am Geisteswissenschaftlichen Zentrum. Die Bibliothek in

der Beethovenstraße ist für Blinde wie ein Berg, der ohne

Unterstützung durch Dritte kaum zu erklimmen ist.“ Ins-

gesamt sei die Universität jedoch schon sehr weit in Sachen

Barrierefreiheit, die wichtig für die Orientierung und

Selbstständigkeit der betroffenen Studierenden ist. „Klar,

es ist nicht alles perfekt, aber der PC-Pool für Sehgeschä-

digte zum Beispiel ist ein prima Angebot.“

Das Rechenzentrum bietet einen Computerraum im Se-

minargebäude an, der von einem blinden Studenten selbst

ins Leben gerufen wurde. Im PC-Pool befindet sich auch

ein Computer, der mit einem Screenreader und einer

Braillezeile, welche den Bildschirmtext in Punktschrift

übersetzt, ausgestattet ist. Damit die Bildschirminhalte

richtig ausgelesen werden, ist es wichtig, dass die Texte

und Folien barrierefrei, also digital aufbereitet sind. Die-

se Arbeit leisten studentische Hilfskräfte. Bei sehr bild-

lastigen Inhalten wird es schwieriger, da Grafiken und

Diagramme verbalisiert werden müssen.

Zum Lernen, Hören und Schreiben gebraucht Sebastian

meistens seinen eigenen Laptop. Der ist mit einer speziel-

len Sprachsoftware für Blinde ausgerüstet, die ihm digi-

talisierte Texte, Folien und Handouts vorliest. „Ein Ohr

gehört dem Professor, das andere der romantischen Blech­

eimerstimme meines Sprachprogramms. Ohne die wäre

ich echt aufgeschmissen“, erklärt Sebastian. „Ich sehe ja

quasi mit den Ohren.“ Und weil das so ist, muss bei Prü-

fungen auch mal improvisiert werden. Referate werden

frei aus dem Kopf gehalten, ein Diktiergerät hilft dabei,

sich das Gelernte zu merken. Und Klausuren? „Ich bean-

trage immer mündliche Prüfungen“, berichtet Sebastian.

„Ab und zu gibt es auch mal Nachhilfe von Kommilito-

nen oder Dozenten. Das bringt Licht ins Dunkel.“

Zurzeit spart Sebastian auf ein Update einer neuen

Screenreaderstimme, die ihm das Zuhören angenehmer

machen soll. Die Kosten dafür sind jedoch ziemlich hoch

und müssen selbst getragen werden. „Sowas wünscht man

sich dann mal zu Weihnachten.“

Simone Schmid

Sebastian Schulze has been blind since the age of 27. Every day the cultural

science student proves that it is possible to study when you are blind – with a lot

of commitment, patience and humour. He is supported during his everyday student

life by his guide dog Sunny, the PC pool for the visually impaired, tactile paving on

campus, specialist services and his lecturers and fellow students.