Previous Page  25 / 44 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 25 / 44 Next Page
Page Background

ALUMNI IM PORTRÄT

25

A L U M N I — 2 017

Dr. Axel Ngonga leitet eine Forschungsgruppe

am Institut für Informatik an der Universität Leipzig.

(Foto: Christian Hüller)

F

ragt man Jungen in Deutschland auf dem Spielplatz

nach ihren Traumberufen, dann gehen die Arme bei

Lokführer, Fußballer oder Feuerwehrmann besonders

schnell in die Höhe. So gesehen ist Axel Ngonga schon als

Kind aus dem Rahmen gefallen. Er wollte Astrophysiker

werden! Bereits als Sechsjähriger verbrachte er in seiner

Heimat Kamerun oft mehrere Stunden am Tag in der

Bücherei, um Fachliteratur zu wälzen. Oder er schraubte

technische Geräte auseinander und schaute sich alle Tei-

le genau an. Seine große Neugierde brachte ihm bereits

früh den Spitznamen „Mister Why“ („Herr Warum“) ein.

„Dass ich einmal Wissenschaftler werde, stand für mich

damals schon fest.“

Heute ist Axel Ngonga 32 Jahre alt, leitet als In-

formatiker eine Forschungsgruppe an der Universität

Leipzig und gilt als einer der renommiertesten Nach-

wuchswissenschaftler Afrikas. Als solcher war er 2016 zur

Wissenschaftskonferenz „Next Einstein Forum“ in Dakar

im Senegal eingeladen. Wichtigstes Ziel der Veranstalter

war es, die junge aufstrebende Generation afrikanischer

Forscher stärker in den Fokus zu rücken, ihr eine Bühne

und einen kräftigen Schub zu geben. „Der nächste Ein-

stein wird aus Afrika kommen“, betonen sie.

Natürlich ist Axel Ngonga nicht Albert Einstein,

beeindruckend ist aber auch sein Werdegang. Direkt nach

dem Abitur in Kamerun zog es ihn 1999 nach Deutsch-

land. Da war er 15 und hatte zuvor einige Klassen in der

Schule übersprungen. „Deutschland hat mit seinen vielen

Nobelpreisträgern eine große Tradition, die Sprache hat

mich gereizt und das Studium ist billiger als in anderen

Staaten“, erklärt er seine Entscheidung.

Lange Zeit zur Eingewöhnung braucht er damals

nicht. Seinen Sprachkurs am Herder-Institut kann er

verkürzen und die Mathe-Vorlesungen im Informatik-

Studium, das er mit 16 Jahren beginnt, sind ebenfalls

keine Herausforderung. „Den Stoff kannte ich schon aus

der zehnten und elften Klasse.“ 2003 wird der Kameruner

als bester ausländischer Student der Uni Leipzig ausge-

zeichnet, von 2004 bis 2009 schreibt er nach dem Diplom

gleich seine Doktorarbeit – als jüngster Uni Leipzig-

Absolvent aller Zeiten.

Fragt man den Informatiker, wie es ist, als afrikani-

scher Vorzeigewissenschaftler gehandelt zu werden, ver-

finstert sich das sonst fröhliche und offene Gesicht. „Ich

mag es grundsätzlich nicht, wenn Leuten Etiketten ange-

heftet werden.“ Gerade die Wissenschaft sei international

und kenne keine Grenzen. „Ich bin daher hier in Leipzig

auch kein Exot, sondern sehe mich vor allem als Leiter

meiner Forschungsgruppe an der Universität.“

Diese beschäftigt sich mit Big Data und Semantic

Web. Im Kern geht es um die Frage: Wie können Maschi-

nen die Inhalte des World Wide Web verstehen? „Hinter

dem Begriff Semantic Web steckt die Idee, das Wissen im

Netz maschinenlesbar zu machen, indem Informationen

mit dem passenden Kontext verbunden werden. Wir wol-

len es ermöglichen, der Datenflut Herr zu werden“, erklärt

Ngonga. Praktische Anwendungsmöglichkeiten gibt es in

vielen Bereichen – von der Biomedizin über die Landwirt-

schaft bis hin zur Bildung.

Die Möglichkeiten, die der

Kameruner in Deutschland hat,

sind mit denen vieler Kollegen

in Afrika nicht vergleichbar. Das

fängt bei einfachen, aber wich-

tigen Dingen wie Publikationen

für Fachkonferenzen an. Für

internationale Kongresse müs-

sen oft Beiträge bezahlt werden,

hinzu kommen Kosten für die

Übernachtung und Flüge. „Das

sind für einige Wissenschaftler

mehrere Monatsgehälter.“

Doch es geht nicht nur um

Geld, es geht auch um die rich-

tige Einstellung – und da sieht

der Forscher große Chancen.

„Es gibt in Afrika sehr viele wissenshungrige junge Leu-

te, die Wissenschaft mitgestalten wollen und dafür bereit

sind, ins Ausland zu gehen. Viele Forscher haben gelernt,

auch mit einfachen Mitteln komplexe Probleme zu lösen.“

Allerdings warnt Axel Ngonga vor zu schematischen Be-

trachtungen beim Blick nach Afrika. „Der Kontinent be-

steht aus 54 Ländern, da sollte man sich davor hüten, zu

stark zu generalisieren.“

Zu seiner neuen Heimat bringt er auch Kritik an. So

gebe es in Europa eine „wissenschaftliche Massenproduk-

tion“, die Forschern oft nicht mehr die Zeit lasse, große

Fragestellungen in Ruhe anzugehen. Stattdessen werde

hierzulande oft nur „scheibchenweise vorgegangen“, be-

dauert der Wissenschaftler und führt das Bild fort: „Ich

möchte nicht nur ein paar Scheibchen Salami anbieten,

sondern immer zumindest eine Packung.“

Christian Schafmeister

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung

„Es gibt in Afrika

sehr viele wissens­

hungrige junge Leute,

die Wissenschaft mit­

gestalten wollen und

dafür bereit sind, ins

Ausland zu gehen.“

Dr. Axel Ngonga (32) came to Leipzig University from Cameroon at the age of 15,

he was the youngest graduate at the university at 19 years of age. As a computer

scientist he now heads a research group at his alma mater and is viewed as one

of Africa‘s most famous young scientists. In 2016 he was invited to the scientific

conference „Next Einstein Forum“ in Dakar, Senegal which focuses on young

African researchers.