

ALUMNI IM PORTRÄT
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A L U M N I — 2 017
Dr. Axel Ngonga leitet eine Forschungsgruppe
am Institut für Informatik an der Universität Leipzig.
(Foto: Christian Hüller)
F
ragt man Jungen in Deutschland auf dem Spielplatz
nach ihren Traumberufen, dann gehen die Arme bei
Lokführer, Fußballer oder Feuerwehrmann besonders
schnell in die Höhe. So gesehen ist Axel Ngonga schon als
Kind aus dem Rahmen gefallen. Er wollte Astrophysiker
werden! Bereits als Sechsjähriger verbrachte er in seiner
Heimat Kamerun oft mehrere Stunden am Tag in der
Bücherei, um Fachliteratur zu wälzen. Oder er schraubte
technische Geräte auseinander und schaute sich alle Tei-
le genau an. Seine große Neugierde brachte ihm bereits
früh den Spitznamen „Mister Why“ („Herr Warum“) ein.
„Dass ich einmal Wissenschaftler werde, stand für mich
damals schon fest.“
Heute ist Axel Ngonga 32 Jahre alt, leitet als In-
formatiker eine Forschungsgruppe an der Universität
Leipzig und gilt als einer der renommiertesten Nach-
wuchswissenschaftler Afrikas. Als solcher war er 2016 zur
Wissenschaftskonferenz „Next Einstein Forum“ in Dakar
im Senegal eingeladen. Wichtigstes Ziel der Veranstalter
war es, die junge aufstrebende Generation afrikanischer
Forscher stärker in den Fokus zu rücken, ihr eine Bühne
und einen kräftigen Schub zu geben. „Der nächste Ein-
stein wird aus Afrika kommen“, betonen sie.
Natürlich ist Axel Ngonga nicht Albert Einstein,
beeindruckend ist aber auch sein Werdegang. Direkt nach
dem Abitur in Kamerun zog es ihn 1999 nach Deutsch-
land. Da war er 15 und hatte zuvor einige Klassen in der
Schule übersprungen. „Deutschland hat mit seinen vielen
Nobelpreisträgern eine große Tradition, die Sprache hat
mich gereizt und das Studium ist billiger als in anderen
Staaten“, erklärt er seine Entscheidung.
Lange Zeit zur Eingewöhnung braucht er damals
nicht. Seinen Sprachkurs am Herder-Institut kann er
verkürzen und die Mathe-Vorlesungen im Informatik-
Studium, das er mit 16 Jahren beginnt, sind ebenfalls
keine Herausforderung. „Den Stoff kannte ich schon aus
der zehnten und elften Klasse.“ 2003 wird der Kameruner
als bester ausländischer Student der Uni Leipzig ausge-
zeichnet, von 2004 bis 2009 schreibt er nach dem Diplom
gleich seine Doktorarbeit – als jüngster Uni Leipzig-
Absolvent aller Zeiten.
Fragt man den Informatiker, wie es ist, als afrikani-
scher Vorzeigewissenschaftler gehandelt zu werden, ver-
finstert sich das sonst fröhliche und offene Gesicht. „Ich
mag es grundsätzlich nicht, wenn Leuten Etiketten ange-
heftet werden.“ Gerade die Wissenschaft sei international
und kenne keine Grenzen. „Ich bin daher hier in Leipzig
auch kein Exot, sondern sehe mich vor allem als Leiter
meiner Forschungsgruppe an der Universität.“
Diese beschäftigt sich mit Big Data und Semantic
Web. Im Kern geht es um die Frage: Wie können Maschi-
nen die Inhalte des World Wide Web verstehen? „Hinter
dem Begriff Semantic Web steckt die Idee, das Wissen im
Netz maschinenlesbar zu machen, indem Informationen
mit dem passenden Kontext verbunden werden. Wir wol-
len es ermöglichen, der Datenflut Herr zu werden“, erklärt
Ngonga. Praktische Anwendungsmöglichkeiten gibt es in
vielen Bereichen – von der Biomedizin über die Landwirt-
schaft bis hin zur Bildung.
Die Möglichkeiten, die der
Kameruner in Deutschland hat,
sind mit denen vieler Kollegen
in Afrika nicht vergleichbar. Das
fängt bei einfachen, aber wich-
tigen Dingen wie Publikationen
für Fachkonferenzen an. Für
internationale Kongresse müs-
sen oft Beiträge bezahlt werden,
hinzu kommen Kosten für die
Übernachtung und Flüge. „Das
sind für einige Wissenschaftler
mehrere Monatsgehälter.“
Doch es geht nicht nur um
Geld, es geht auch um die rich-
tige Einstellung – und da sieht
der Forscher große Chancen.
„Es gibt in Afrika sehr viele wissenshungrige junge Leu-
te, die Wissenschaft mitgestalten wollen und dafür bereit
sind, ins Ausland zu gehen. Viele Forscher haben gelernt,
auch mit einfachen Mitteln komplexe Probleme zu lösen.“
Allerdings warnt Axel Ngonga vor zu schematischen Be-
trachtungen beim Blick nach Afrika. „Der Kontinent be-
steht aus 54 Ländern, da sollte man sich davor hüten, zu
stark zu generalisieren.“
Zu seiner neuen Heimat bringt er auch Kritik an. So
gebe es in Europa eine „wissenschaftliche Massenproduk-
tion“, die Forschern oft nicht mehr die Zeit lasse, große
Fragestellungen in Ruhe anzugehen. Stattdessen werde
hierzulande oft nur „scheibchenweise vorgegangen“, be-
dauert der Wissenschaftler und führt das Bild fort: „Ich
möchte nicht nur ein paar Scheibchen Salami anbieten,
sondern immer zumindest eine Packung.“
Christian Schafmeister
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung
„Es gibt in Afrika
sehr viele wissens
hungrige junge Leute,
die Wissenschaft mit
gestalten wollen und
dafür bereit sind, ins
Ausland zu gehen.“
Dr. Axel Ngonga (32) came to Leipzig University from Cameroon at the age of 15,
he was the youngest graduate at the university at 19 years of age. As a computer
scientist he now heads a research group at his alma mater and is viewed as one
of Africa‘s most famous young scientists. In 2016 he was invited to the scientific
conference „Next Einstein Forum“ in Dakar, Senegal which focuses on young
African researchers.