UNIVERSUM
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s sieht aus wie das Stück eines Pailletten-
kleids, das auf einer Wunde ruht: ein Dut-
zend durchsichtiger Scheiben von knapp einem
Zentimeter Durchmesser, ordentlich anein-
andergereiht. Aber diese Pailletten bestehen
nicht aus Plastik, sondern aus vielen tausend
Zellen, die sich in Schichten übereinander sta-
peln. Einmal auf eine Wunde gelegt, verwach-
sen sie mit der Haut, werden Teil des Körpers.
Dr. Vuk Savkovic stellt sie her. Der
Wissenschaftler kooperiert dabei mit dem
Sonderforschungsbereich „Funktionelle Bio-
materialien zur Steuerung von Heilungspro-
zessen in Knochen- und Hautgewebe“ von
Professor Jan Simon, Direktor der Klinik für
Dermatologie, Venerologie und Allergologie
am Leipziger Uniklinikum. Die Arbeitsgrup-
pe ist auf der Suche nach Materialien, die
von und durch menschliche Zellen hergestellt
werden. Diese Biomaterialien werden vom
Körper besser angenommen als andere. Man
kann sie verändern, um Wundheilung zu be-
schleunigen oder Operationen überflüssig zu
machen.
Um Letzteres bemüht sich Savkovic. Er
sucht nach einem Material, um die Weißfle-
ckenkrankheit zu heilen. Zurzeit werden Pa-
tienten mit dieser Pigmentstörung behandelt,
indem man ein Stück gesunde Haut aus dem
Körper entfernt und die melaninproduzieren-
den Zellen daraus in das Gewebe überträgt,
dem diese Zellen fehlen. Savkovic aber arbei-
tet daran, dass die Pailletten als künstliche
Haut die Pigmentierung übernehmen. „Ich
interessiere mich vor allem für die Zelltypen
Melanozyten, die das Melanin für die Haut-
farbe herstellen, und die Keratinozyten, die
für die Regeneration der Haut verantwortlich
sind.“ Aus diesen beiden produziert er künst-
liche Haut. Im Reagenzglas funktioniert es
schon sehr gut. Nun geht es darum, die Bio-
materialien zur Anwendung zu bringen. „Wir
wollen die Hautscheiben durch Biomateriali-
en noch besser machen“, sagt Savkovic, „zum
Beispiel durch einen kollagenbasierten Zu-
satz, der die natürliche Haut imitiert.“
Auch Dr. Sandra Franz arbeitet an der
Klinik für Hautkrankheiten an Biomateriali-
en, allerdings in anderer Form. „Wir beschäf-
tigen uns mit einem Hydrogel, das bei chroni-
schen Wunden helfen soll“, erklärt sie. Zellen
schweben nicht im luftleeren Raum, sondern
schwimmen in einer extrazellulären Matrix, ei-
ner Art biologischemGelee. „Wir imitieren die-
se Matrix und verändern einzelne Bestandteile,
in unserem Fall sind es bestimmte Zuckermo-
leküle.“ Diese Zuckermoleküle können in einer
Wunde die entzündungsfördernden Substan-
zen blockieren und andere unterstützen, die
die Heilung verbessern. Sandra Franz und ihr
Team haben herausgefunden, wie die Zucker-
moleküle verändert werden müssen und wie sie
arbeiten. Nun gilt es, diese in das Hydrogel ein-
zuschleusen und am Modell zu testen.
Unsere Haut ist nicht nur ein Organ,
sie ist auch unsere Repräsentation nach au-
ßen. Hat man chronische Wunden oder eine
ungewöhnliche Pigmentierung, fällt man auf,
wird in der Öffentlichkeit seltsam angeschaut.
Sandra Franz und Vuk Savkociv sehen ihre
Forschung deshalb nicht nur als Beitrag zur
biologischen Materialforschung, sondern auch
zur psychischen Gesundheit der Betroffenen.
Pia Volk
Wie macht man
eigentlich…
Haut?
„Biomaterialien
werden vom Körper
besser angenommen
als andere.“
Der Sonderforschungsbereich „Funktionelle
Biomaterialien zur Steuerung von Heilungspro-
zessen in Knochen- und Hautgewebe“ gehört
zum Forschungsprofilbereich „Zivilisationser-
krankungen“ der Universität Leipzig und wird
von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) gefördert. Sein Ziel ist es, Biomate-
rialien zu entwickeln, die selbstorganisie-
rend in Heilungsprozesse eingreifen können.
Dr. Vuk Savkovics Forschungsprojekt ist am
Translationszentrum für Regenerative Medizin
(TRM) angesiedelt. Es ist eines von vier Projek-
ten, die auch nach dem Auslaufen der Bundes-
förderung fortgesetzt werden.
links: Von der Zellentnahme zur gezüchteten
Hautscheibe. (Foto: Christina Baumbach)
rechts: Wie kann man das Biomaterial weiter verbessern?
Dr. Vuk Savkovic nimmt eine Hautzelle unter die Lupe.
(Foto: Christian Hüller)