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AUF EIN WORT

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L U M A G F O R S C H U N G – 01/ 2 015

einen thematischen Schirm zu packen. Viel wichtiger ist

es jetzt, in Ruhe zu schauen: Wer ist integrationsfähig in

ein Großvorhaben, das dann bei aller Heterogenität der

disziplinären Perspektiven wieder in einem homogenen

und kohärenten Konzept landen kann, welches eine neue

Querschnittsfrage behandelt. Es macht dabei wiederum

keinen Sinn, die Wissenschaftler zum Jagen zu tragen.

Alle müssen eine Win-win-Situation erkennen. Und es

erfordert eine erneute kritische Selbstbewertung, zu ent-

scheiden, wie viele Pferde ich letztendlich ins Rennen

schicke – eventuell auch wieder ein Wechselspiel mit un-

abhängigen Beratern, um noch mal zu checken: Wo stehen

wir wirklich und wie sind, im Vergleich zu anderen Stand-

orten, unsere Chancen? Die Devise „Weniger ist mehr“ ist

im bisherigen Wettbewerb am erfolgreichsten gewesen.

Die möglichst enge Verzahnung mit außeruniversitären

Forschungseinrichtungen war ein weiteres Ziel der

Weiterentwicklung des Forschungsprofils. Weshalb wird

dieser Aspekt immer wichtiger – und auch hilfreicher?

Das deutsche Hochschul-

system in seiner internationalen

Wahrnehmung und das Ranking

und Rating deutscher Universi-

täten in den großen internatio-

nalen Vergleichen sind dadurch

geschwächt, dass, im Unterschied

zu anderen Ländern, nicht alle

grundlagenforschungsaktiven Be-

reiche in den Universitäten liegen.

Durch die Finanzentwicklung der

letzten 15 Jahre wurde die außer­

universitäre Forschung durch den

Bund erst recht noch einmal ge-

stärkt. Für den nächsten Exzel-

lenzwettbewerb ist aber wichtig,

dass die Universitäten das Zentrum der Forschung und

des konkreten Handelns bleiben. Die Hochschulen müssen

trotzdem begreifen, dass heute sehr viel mehr in Standor-

ten als in Einzelinstitutionen gedacht wird. Leipzig ist ein

Standort mit einer Fülle von Einrichtungen, die mit her-

ausragenden Forschern enormes internationales Ansehen

gewonnen haben. Deshalb kommt es darauf an, strategisch

die „Außeruniversitären“ mit einzubeziehen: Es lassen sich

so einzigartige oder zumindest herausragende Konzepte

entwickeln, die dann nationale und internationale Gutach-

ter überzeugen können.

Wie sehen Sie die Überlegungen und derzeitigen

Aktivitäten zur nächsten Etappe der Exzellenzinitiative?

Zunächst einmal hätte ihr Abbrechen in 2017 fatale

Folgen für die internationale Wahrnehmung des deutschen

Wissenschaftssystems gehabt, aber der Grundsatzbe-

schluss zur Fortsetzung der Exzellenzinitiative ist ja zu-

mindest schon gefasst. Gleichzeitig ist die Devise, mög-

lichst nichts zu ändern, wenig überzeugend. Auch wenn

das im Moment seitens einiger Wissenschaftsorganisatio-

nen für hilfreich angesehen wird, damit man gar nicht erst

in die Unsicherheiten hineinkommt, die sich zweifellos am

Horizont abzeichnen. Der Bericht der Imboden-Kommis-

sion kommt Anfang 2016 erst zu einem Zeitpunkt, zu dem

alle Welt schon dringend darauf wartet, dass es klare Sig-

nale gibt, was tatsächlich wie beantragt werden kann. Es ist

unentbehrlich, spätestens im Laufe dieses Sommers entwe-

der mit der ganzen Kommission oder mindestens mit dem

Vorsitzenden Gespräche zu führen, damit Bund und Län-

der mithilfe der Entwicklungs- und Empfehlungstrends

die entsprechenden Förderformen definieren können. Die

große Ungewissheit liegt derzeit darin, dass noch relativ

viel Nebel über dem liegt, was tatsächlich zum Vorschein

kommen wird. Die Universitäten müssen also Organisati-

onsprozesse weiterverfolgen, ohne genau zu wissen, wohin

sie zielen. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass es

schon jetzt notwendig ist, in die Richtung von höher aggre-

gierten Konstellationen voranzugehen – mit überregiona-

lem Blick auf Unterscheidungen in den Themenfeldern von

dem, was andere machen. Die wissenschaftlich-konzepti-

onelle und die theoretisch-methodische Seite der Medaille

lassen sich also sehr wohl weiterdiskutieren. Zu gegebener

Zeit sind dann die noch offengehaltenen Bereiche so zu for-

matieren, dass man genau in die Ausschreibungsmodalitä-

ten hinein das Konzept weiterentwickelt und entscheidet,

wer noch drin ist. Was man heute schon sagen kann, ist,

dass es in jedem Falle etwas geben wird, das der bisheri-

gen Größenordnung plus X der Cluster entspricht oder eine

Mischung aus Cluster und Zukunftskonzept sein wird.

An der Universität Leipzig laufen aktuell auch viel­

versprechende Antragsvorhaben, die sich im Prinzip

in keine der Profillinien zwängen lassen. Was vielleicht

auch zeigt, dass man so eine Profilierung nie perfekt

machen oder zumindest nicht statisch festschreiben kann.

Wie können wir diese erfreuliche Dynamik wissen­

schaftlicher Weiterentwicklungen befördern, ohne

die Profilbereiche damit gleich wieder infrage zu stellen?

Profillinien zu entwickeln und dann so etwas wie ei-

nen eingefrorenen Status quo zu kreieren, wäre geradezu

fatal! Man muss auf jeden Fall eine Offenheit für neue In-

itiativen und Formierungen haben. Das gilt erst recht für

die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Es wäre ge-

radezu töricht, wenn die Hochschulleitung hier das Signal

aussenden würde: Wenn ihr nicht mindestens mit einem

Sonderforschungsbereich ankommt, dann braucht ihr bei

uns gar nicht erst anzuklopfen. Für das Renommee der

Leipziger Universität sind einzelne Wissenschaftler und

ihre internationalen Kooperationen und Vernetzungen

auch in Zukunft ganz essenziell.

Mit Blick auf die Geistes- und Gesellschaftswissen­

schaften: Halten Sie hier, im Sinne wissenschaftlicher

Exzellenz, große drittmittelgeförderte Forschungs­

verbünde trotzdem für ein überzeugendes Format?

Ich sehe in Forschungsverbünden einen Vorteil im

Sinne interdisziplinärer Zusammenarbeit. Für die Geistes-

und Gesellschaftswissenschaften ist es aber besonders

schwer, große kollektive Förderformen auszufüllen, weil

„Die Hochschulen

müssen begreifen,

dass heute sehr viel

mehr in Standorten als

in Einzelinstitutionen

gedacht wird.“