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ZIVILISATIONSERKRANKUNGEN

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L U M A G F O R S C H U N G – 01/ 2 015

W

as eine fantastische Vorstellung für

Menschen mit Übergewicht: statt

schweißtreibender Fitnesseinheiten oder

strengem Diätplan, den Pfunden mithilfe von

Medikamenten an den Kragen zu gehen! Eine

Utopie? Nicht ganz … „Es könnte zukünftig

durchaus möglich sein, Fettgewebshormone

als therapeutische Mittel einzusetzen“, erklärt

Prof. Dr. Matthias Blüher, Leiter der Adi-

positasAmbulanz für Erwachsene des Uni-

versitätsklinikums Leipzig und Sprecher des

Sonderforschungsbereichs „Mechanismen der

Adipositas“. Seine Forschung widmet er dem

Thema Fettsucht und Stoffwechselerkrankun-

gen – und richtet dabei einen besonderen Blick

auf die Hormone: „Zum Beispiel Leptin, das

schon seit geraumer Zeit als Schlankheitshor-

mon aus dem Fettgewebe bekannt ist“. Dieses

Hormon signalisiert dem Gehirn, wie viele

Energiereserven im Körper vorhanden sind.

Eine Entdeckung, die deutlich macht, dass

das Fettgewebe in der Lage ist, Signale unter

anderem an das Gehirn zu senden und damit

den Körper aktiv zu beeinflussen.

„Wir sind tatsächlich Sklaven oder Op-

fer unseres Hormonmusters, wobei eben auch

Hormone aus dem Fettgewebe eine große

Rolle spielen“, so der Wissenschaftler. Hor-

mone aus dem Fettgewebe steuern zahlreiche

Verhaltens- und Stoffwechselprozesse: „Das

geht von Appetit, Hunger oder Sättigung

über Energiegleichgewicht bis hin zur Fra-

ge der Entstehung von Entzündungen oder

Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes.“

Darüber hinaus können Hormone für Blut­

hochdruck oder eine Fehlverteilung des Fett-

gewebes mitverantwortlich sein. Das Fettge-

webe und die von dort kommenden Hormone

sind deshalb als eigenes Organsystem anzuse-

hen. Es spiegelt nicht nur den Zustand eines

Körpers wider, sondern liefert auch wichtige

Informationen, die sich die Medizin zukünf-

tig zunutze machen könnte.

„Wir wollen herausfinden, warum sich

bei manchen Menschen Fett eher am Bauch,

bei anderen an der Hüfte ablagert“, erklärt

Blüher. Denn wie das geschieht, ist bislang

weitgehend ungeklärt. „Und wir wollen ver-

stehen, warum sich bei dem einen Menschen

das Fettgewebe ganz normal entwickelt und

funktioniert, während es bei dem anderen vie-

le Entzündungsstoffe oder krank machende

Hüftgold und Heißhunger –

der Mensch als Spielball

seiner Hormone

Mediziner untersuchen

Mechanismen der Fettleibigkeit

„Wir sind

tatsächlich Sklaven

oder Opfer unseres

Hormonmusters …“