AUF EIN WORT
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L U M A G F O R S C H U N G – 01/ 2 015
Mit dem im vergangenen Jahr formal
abgeschlossenen Profilierungsprozess liegt die Universität
nach Einschätzung vieler Beobachter sehr gut in
der Zeit. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?
Ich kenne keine andere Universität, die innerhalb
von nicht einmal zwei Jahren einen solchen Prozess been-
det hat – das spricht für die Konsenskultur in Leipzig. Der
Profilierungsprozess ist geradezu vorbildlich aufgesetzt
worden, wobei drei Elemente ganz entscheidend waren:
erstens Transparenz darüber, wie man vorgeht; zweitens
Partizipation, also allen die Chance zu eröffnen, sich mit
ihren Ideen einzubringen; drittens Validierung und Qua-
litätssicherung, also dafür zu sorgen, die aktivierten Initi-
ativen zu strukturieren und zu prüfen, wie man benötigte
Größenordnungen erzielen kann. Das war vor allem auch
in der von mir geleiteten Kommission eine wichtige Frage.
Ich denke, im Ergebnis haben sich Kollektive gefunden,
die bereit sind, ein gemeinsames Forschungsverständnis
für ein Themenfeld oder eine Problemstellung zu entwi-
ckeln – und sich, im Sinne des vorher Gesagten, in ein
nicht bloß in additiver Interdisziplinarität steckenbleiben-
des Konstrukt, sondern in ein mit einer integrativen, man
kann fast sagen transdisziplinären, Perspektive versehe-
nes Forschungskonzept hineinzubegeben.
Es geht der Uni-Leitung um eine gute
Vorbereitung auf die nächste Exzellenzinitiative.
Was glauben Sie, warum war die Universität Leipzig
mit ihrer letzten Bewerbung nicht erfolgreich?
Eine der ganz wesentlichen Erfolgsvoraussetzungen
war eine bereits lange Zusammenarbeit. Die Hoffnung,
in der Exzellenzinitiative könne man von jetzt auf gleich
die Truppen neu organisieren und in die nächste Schlacht
schicken, hat sich für viele Universitäten als Fehlschlag
erwiesen. Denn es reicht nicht, einige bekannte Einzelfor-
scher zusammenzuführen. Im Grunde muss man von An-
fang an schauen: Wo gibt es diese kritische Masse von 30
bis 40 gestandenen Forschern, die mit unterschiedlichen
Expertisen unter einem thematischen Dach eine neue Fra-
gestellung so angehen, dass eine Universität auch bundes-
weit die Chance hat, unter den Ersten zu sein. Eine Schwä-
che vieler deutscher Universitäten
war, dass sie ein manchmal schon
ungesundes Verständnis von ih-
ren Stärken, aber keinen Begriff
von ihren Schwächen hatten. Be-
achtlich fand ich, dass das Leip-
ziger Rektorat nach den letzten
Entscheidungen sofort das Heft
des Handelns ergriffen und eine
Neuaufstellung mit Blick auf
2017 forciert hat.
Welche nächsten Schritte sind aussichtsreich,
um im kommenden Bundeswettbewerb zu bestehen?
Es wird mindestens eine Förderform geben, die,
wie bisher Cluster- oder Forschungszentren, eine hohe
Aggregation von Kompetenz voraussetzt. Insofern kann
man gar nicht früh genug damit beginnen, Kohärenz im
gemeinsamen Forschungsverständnis zu erzeugen. Genau
das hat dieUniversität Leipzigmit ihremProfilierungspro-
zess erreicht: Schon jetzt existieren in den Profilbereichen
neben bereits vorhandenen Förderformen viele auf den
Weg gebrachte Initiativen der mittleren Aggregationsebe-
ne – sprich Forschergruppen, Sonderforschungsbereiche,
Graduiertenkollegs. Ohne diesen stufenweisen Aufbau
hat man so gut wie keine Chance auf Erfolg. Das bedeutet
aber nicht, dass nur noch derjenige, der sich in solchen gro-
ßen Förderformen wiederfindet, ein guter Forscher sein
kann. Nur macht es keinen Sinn, partikulare Forschungs-
interessen auf eine gesamtuniversitäre Ebene zu heben –
ebenso wenig wie zu versuchen, jede Fragestellung unter
„Der Ablauf des
Prozesses spricht
für die Konsenskultur
in Leipzig.“
Zur Person
Nach einem Studium der Germanistik, Philosophie, Pädagogik und
Politikwissenschaft sowie Stationen als Lektor des Deutschen Aka-
demischen Austauschdienstes an der Universität Oxford und in füh-
renden Positionen beim Wissenschaftsrat und in der Generalverwal-
tung der Max-Planck-Gesellschaft, ist Dr. Wilhelm Krull seit 1996
Generalsekretär der VolkswagenStiftung. Neben seinen beruflichen
Tätigkeiten in der Wissenschaftspolitik und Forschungsförderung
nahm und nimmt er zahlreiche Funktionen in nationalen, ausländi-
schen und internationalen Gremien wahr.
Gegenwärtig ist er Vorsitzender des Stiftungsrats der Univer-
sität Göttingen, Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission des
Landes Niedersachsen und der Kuratorien des Max-Planck-Ins-
tituts für biophysikalische Chemie in Göttingen, des Max-Planck-
Instituts für Psychiatrie in München, der Max-Planck-Institute für
Gravitationsphysik in Potsdam und Hannover sowie weiterer Max-
Planck-Institute in Potsdam und Radolfzell.
2004/05 wirkte er in einer Expertenkommission zur Evaluation
der Science Foundation Ireland mit. 2005 leitete er die Gründungs-
kommission zum Aufbau einer Akademie der Wissenschaften in
Hamburg. Mit einer Kommission ausgewiesener Persönlichkeiten
des deutschen Hochschulwesens erarbeitete er im gleichen Jahr zur
Vorbereitung der Exzellenzinitiative ein Eckpunktepapier für ein zu-
kunftsfähiges deutsches Wissenschaftssystem („Zwölf Empfehlun-
gen“). In der jüngeren Vergangenheit hat Dr. Wilhelm Krull zahlrei-
che Ehrungen erhalten, unter anderem 2009 die Ehrensenatorwürde
der Universität Konstanz und 2012 die Honorarprofessur der Facul-
ty of Arts & Sciences der Washington University in St. Louis.