Previous Page  5 / 42 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5 / 42 Next Page
Page Background

AUF EIN WORT

7

L U M A G F O R S C H U N G – 01/ 2 015

Mit dem im vergangenen Jahr formal

abgeschlossenen Profilierungsprozess liegt die Universität

nach Einschätzung vieler Beobachter sehr gut in

der Zeit. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?

Ich kenne keine andere Universität, die innerhalb

von nicht einmal zwei Jahren einen solchen Prozess been-

det hat – das spricht für die Konsenskultur in Leipzig. Der

Profilierungsprozess ist geradezu vorbildlich aufgesetzt

worden, wobei drei Elemente ganz entscheidend waren:

erstens Transparenz darüber, wie man vorgeht; zweitens

Partizipation, also allen die Chance zu eröffnen, sich mit

ihren Ideen einzubringen; drittens Validierung und Qua-

litätssicherung, also dafür zu sorgen, die aktivierten Initi-

ativen zu strukturieren und zu prüfen, wie man benötigte

Größenordnungen erzielen kann. Das war vor allem auch

in der von mir geleiteten Kommission eine wichtige Frage.

Ich denke, im Ergebnis haben sich Kollektive gefunden,

die bereit sind, ein gemeinsames Forschungsverständnis

für ein Themenfeld oder eine Problemstellung zu entwi-

ckeln – und sich, im Sinne des vorher Gesagten, in ein

nicht bloß in additiver Interdisziplinarität steckenbleiben-

des Konstrukt, sondern in ein mit einer integrativen, man

kann fast sagen transdisziplinären, Perspektive versehe-

nes Forschungskonzept hineinzubegeben.

Es geht der Uni-Leitung um eine gute

Vorbereitung auf die nächste Exzellenzinitiative.

Was glauben Sie, warum war die Universität Leipzig

mit ihrer letzten Bewerbung nicht erfolgreich?

Eine der ganz wesentlichen Erfolgsvoraussetzungen

war eine bereits lange Zusammenarbeit. Die Hoffnung,

in der Exzellenzinitiative könne man von jetzt auf gleich

die Truppen neu organisieren und in die nächste Schlacht

schicken, hat sich für viele Universitäten als Fehlschlag

erwiesen. Denn es reicht nicht, einige bekannte Einzelfor-

scher zusammenzuführen. Im Grunde muss man von An-

fang an schauen: Wo gibt es diese kritische Masse von 30

bis 40 gestandenen Forschern, die mit unterschiedlichen

Expertisen unter einem thematischen Dach eine neue Fra-

gestellung so angehen, dass eine Universität auch bundes-

weit die Chance hat, unter den Ersten zu sein. Eine Schwä-

che vieler deutscher Universitäten

war, dass sie ein manchmal schon

ungesundes Verständnis von ih-

ren Stärken, aber keinen Begriff

von ihren Schwächen hatten. Be-

achtlich fand ich, dass das Leip-

ziger Rektorat nach den letzten

Entscheidungen sofort das Heft

des Handelns ergriffen und eine

Neuaufstellung mit Blick auf

2017 forciert hat.

Welche nächsten Schritte sind aussichtsreich,

um im kommenden Bundeswettbewerb zu bestehen?

Es wird mindestens eine Förderform geben, die,

wie bisher Cluster- oder Forschungszentren, eine hohe

Aggregation von Kompetenz voraussetzt. Insofern kann

man gar nicht früh genug damit beginnen, Kohärenz im

gemeinsamen Forschungsverständnis zu erzeugen. Genau

das hat dieUniversität Leipzigmit ihremProfilierungspro-

zess erreicht: Schon jetzt existieren in den Profilbereichen

neben bereits vorhandenen Förderformen viele auf den

Weg gebrachte Initiativen der mittleren Aggregationsebe-

ne – sprich Forschergruppen, Sonderforschungsbereiche,

Graduiertenkollegs. Ohne diesen stufenweisen Aufbau

hat man so gut wie keine Chance auf Erfolg. Das bedeutet

aber nicht, dass nur noch derjenige, der sich in solchen gro-

ßen Förderformen wiederfindet, ein guter Forscher sein

kann. Nur macht es keinen Sinn, partikulare Forschungs-

interessen auf eine gesamtuniversitäre Ebene zu heben –

ebenso wenig wie zu versuchen, jede Fragestellung unter

„Der Ablauf des

Prozesses spricht

für die Konsenskultur

in Leipzig.“

Zur Person

Nach einem Studium der Germanistik, Philosophie, Pädagogik und

Politikwissenschaft sowie Stationen als Lektor des Deutschen Aka-

demischen Austauschdienstes an der Universität Oxford und in füh-

renden Positionen beim Wissenschaftsrat und in der Generalverwal-

tung der Max-Planck-Gesellschaft, ist Dr. Wilhelm Krull seit 1996

Generalsekretär der VolkswagenStiftung. Neben seinen beruflichen

Tätigkeiten in der Wissenschaftspolitik und Forschungsförderung

nahm und nimmt er zahlreiche Funktionen in nationalen, ausländi-

schen und internationalen Gremien wahr.

Gegenwärtig ist er Vorsitzender des Stiftungsrats der Univer-

sität Göttingen, Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission des

Landes Niedersachsen und der Kuratorien des Max-Planck-Ins-

tituts für biophysikalische Chemie in Göttingen, des Max-Planck-

Instituts für Psychiatrie in München, der Max-Planck-Institute für

Gravitationsphysik in Potsdam und Hannover sowie weiterer Max-

Planck-Institute in Potsdam und Radolfzell.

2004/05 wirkte er in einer Expertenkommission zur Evaluation

der Science Foundation Ireland mit. 2005 leitete er die Gründungs-

kommission zum Aufbau einer Akademie der Wissenschaften in

Hamburg. Mit einer Kommission ausgewiesener Persönlichkeiten

des deutschen Hochschulwesens erarbeitete er im gleichen Jahr zur

Vorbereitung der Exzellenzinitiative ein Eckpunktepapier für ein zu-

kunftsfähiges deutsches Wissenschaftssystem („Zwölf Empfehlun-

gen“). In der jüngeren Vergangenheit hat Dr. Wilhelm Krull zahlrei-

che Ehrungen erhalten, unter anderem 2009 die Ehrensenatorwürde

der Universität Konstanz und 2012 die Honorarprofessur der Facul-

ty of Arts & Sciences der Washington University in St. Louis.