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UNIVERSUM

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B

iowissenschaftler der Universität Leipzig habenmensch-

liche Stammzellen auf einem Biochip zu einem Netz-

werk von Nervenzellen heranreifen lassen und dadurch die

komplizierten Kommunikationsprozesse im Gehirn erst-

mals außerhalb des menschlichen Körpers analysiert. Die

Forschergruppe unter der Leitung von Professor Andrea

Robitzki, Direktorin des Bio-

technologisch-Biomedizinischen

Zentrums (BBZ) der Universität

Leipzig, hat dafür genetisch re-

programmierte Körperzellen, die

sich zu Stammzellen entwickelten,

eingesetzt. Diese wurden dann auf

einem Biochip platziert und über

mehrere Wochen so beeinflusst,

dass sie zu einem Netzwerk von

Nervenzellen reiften, die mitein-

ander korrespondieren.

„Die Entwicklung von Ner-

venzellen ist ein sehr komplexer

Prozess“, sagt Robitzki. Dieser

sei nun erstmals auf einem Bio-

chip gelungen. Bisher konnten Nervenzellen nur in einer

Zellkulturschale entwickelt werden. Um sie zu analysie-

ren, mussten die Zellen abgetötet werden, was beim Bio-

chip-Verfahren nicht der Fall ist. „Wir können dadurch im

Echtzeitmodus den kompletten Entwicklungsverlauf auf

dem Chip abbilden und die Zellen direkt beobachten“, er-

klärt die Forscherin. Die Elektroden auf dem Chip fungie-

ren dabei als „Reporter“. Sie liefern den Wissenschaftlern

die Informationen über den Reifungsprozess der lebenden

Zellen sowie über den Informationsaustausch zwischen

den einzelnen Synapsen. Diese Vorgänge verlaufen auf dem

Biochip ebenso wie bei der Gehirnentwicklung während

der Embryonalentwicklung.

Dieses neue Verfahren bietet die Chance, mehr über

die Entwicklung von Stamm- zu Nervenzellen zu erfahren.

Von großer Bedeutung ist die Technologie unter anderem

für die Pharma- und Kosmetikindustrie, da die heilende

oder auch toxische Wirkung bestimmter Wirkstoffe auf

die humanen Zellen in Echtzeit getestet werden kann. „Da-

durch können Tierexperimente reduziert oder zumindest

fokussiert werden. Man erfährt, wie viel von einer bestimm-

ten Substanz zu einem kritischen Verlauf oder auch zu ei-

ner Heilung führen könnte“, berichtet Robitzki. Das liefere

beispielsweise neue Ansätze zur Therapie weit verbreiteter

Gehirnerkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer.

Bereits jetzt bekommt das Leipziger Forscherteam

Anfragen aus der Pharma- und Kosmetikindustrie, die an

dem Biochip-Verfahren und der eigens dafür entwickelten

Apparatur Interesse haben. Gesucht werden nun Industrie-

partner, die bereit sind, in dieses Verfahren zu investieren.

Susann Huster

Wie macht man

eigentlich…

ein künstliches Gehirn?

Bislang mussten

Nervenzellen abgetötet

werden, um sie zu

analysieren, was beim

Biochip-Verfahren

nicht der Fall ist.

Prof. Dr. Andrea Robitzki

nimmt die Kommunika-

tionsprozesse zwischen

Nervenzellen ins Visier.

Foto rechts:

Erstmals reiften

Nervenzellen auf

einem Biochip heran.

(Fotos: Swen Reichhold)

Bio scientists at Leipzig University have developed human stem cells on a biochip

into a network of nerve cells and as a result analysed the complicated communica-

tion processes in the brain outside the human body for the first time. The research

group under the leadership of Prof. Dr. Andrea Robitzki, Director of the Centre

for Biotechnology and Biomedicine (BBZ) of Leipzig University, used genetically

reprogrammed body cells which developed into stem cells.