UNIVERSI TÄT UND STADT
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A L U M N I — 2 016
A
n ganz normalen Tagen ist der Richard-Wagner-Hain
ein kleiner idyllischer Ort. Am Café-Wagen „Zierlich
Manierlich“ werden Kaffee und Limonade verkauft, Spa-
ziergänger suchen Schatten unter den riesigen Kronen al-
ter Bäume. Die Besucherzahl lässt sich an zwei Händen
abzählen. An zehn Tagen im Sommer aber vertausend-
facht sich jedes Jahr die Zahl. Dann ist hier richtig viel
los, Menschen liegen dicht an dicht auf Decken, essen mit-
gebrachte Brote und lauschen verrückten und absurden,
traurigen und lustigen Geschichten, die aus Lautspre-
chern über die Wiese tönen.
Wahrscheinlich ist der Hörspielsommer in den letz-
ten zwölf Jahren an nur wenigen Kulturinteressierten vor-
beigegangen. Wer die Zeppelinbrücke am Sportcampus
an der Jahnallee stadteinwärts zu Fuß überquert, kann die
Menschenmassen, die am Fluss in Kontemplation versun-
ken auf der Wiese liegen, nicht übersehen. „Die Resonanz
war von Anfang an riesig“, erinnert sich Sophia Littkopf.
Sie gründete das Festival, quasi aus einem Gefühl heraus.
Es war im Jahr 2002, als sie über die Leipziger Buch-
messe bummelte, an verschiedenen Hörspielständen vor-
beiging und sich fragte, warum man die auditive Kunst
eigentlich so selten im Leipziger Kulturleben finden konn-
te. Sophia Littkopf, die zu dieser Zeit an der Universität
Leipzig romanische Sprachen studierte, war damals schon
eine Frau der Tat. Mit ihrer Idee eines eigenen Hörspiel-
festivals ging sie zum Leipziger Kulturamt. Dort war man
sofort begeistert. Ein Jahr später ging es los.
Seitdem hat sich das Festival stetig vergrößert. Nicht
nur, dass immer mehr Künstler und sogar Kinder ihre
Werke vorstellen, neue thematische Schwerpunkte und
fremdsprachige Stücke das Programm füllen, auch die
Ausgaben für Künstlerhonorare haben sich in den letzten
Jahren verdoppelt. „Das heißt vor allem, dass wir mehr
Live-Gäste einladen und diese besser entlohnen können“,
sagt Kulturwissenschaftlerin und Mitorganisatorin Tina
Klatte. Dieser Schritt zu mehr Professionalität wird auch
von der Stadt und der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen
verstärkt gefördert. Auch die Kulturförderung des Studen-
tenwerks Leipzig unterstützt das Festival. Hier befruchten
sich Stadt, Land und Kultur gegenseitig. Denn mittlerwei-
le hat sich das Festival weit über die Stadtgrenzen hinaus
herumgesprochen. Gäste kommen aus ganz Europa, 2015
aus Irland, Frankreich, Polen, Österreich und der Schweiz.
Dennoch: Die Arbeit hinter
den Kulissen wird finanziell nicht
entlohnt. Tina Klatte ist eine der
rund 30 ehrenamtlichen Helfer, die
jedes Jahr das Event mit viel Ent-
husiasmus auf die Beine stellen.
Gemeinsam mit ihren Mitstreite-
rinnen Sandra Kriebel und Ka-
tharina Kraus arbeitet sie bis zu
zehn Stunden im Monat, das gan-
ze Jahr über. „Wenn das Festival
läuft, ist es ein Fulltimejob“, sagt
Sandra Kriebel. Sie alle tun es,
weil ihr Herz am Hörspiel hängt,
aber auch, weil freiwilliges Engagement die eigene berufli-
che Karriere vorantreiben kann. Sophia Littkopf, die später
Kulturmanagement in Potsdam studierte, gab vor drei Jah-
ren die Leitung an Marcus Heinke ab. Heute arbeitet sie in
Dresden für verschiedene Kunst- und Kulturfestivals. Auch
Tina Klatte liegt in den letzten Zügen ihres Studiums und
wird in Kürze in die Welt des öffentlich-rechtlichen Radios
hineinschnuppern. Das Engagement für das Herzenspro-
jekt hat einigen Absolventen der Uni Leipzig den Weg in die
Zukunft geebnet – auch ein Grund, warum das Festival aus
der Stadt nicht mehr wegzudenken ist.
Claudia Euen
www.hoerspielsommer.de ↗Festivalinitiatorin Sophia Littkopf hatte die Idee
zum Hörspielsommer, die heute von Katharina Kraus,
Sandra Kriebel und Tina Klatte (v. li.) weitergeführt wird.
(Foto: Christian Hüller)
Ohren auf!
Seit über zehn Jahren halten
Leipziger Studierende und Alumni
ehrenamtlich eines der größten
Hörspielfestivals Deutschlands
am Laufen: den Leipziger
Hörspielsommer.
Porträt eines Herzensprojekts
„Verrückte und
absurde, traurige und
lustige Geschichten
tönen aus Lautspre-
chern über die Wiese.“